Strahlung
Unnötige Strahlenexposition vermeiden
Die diagnostische Anwendung ionisierender Strahlung ist ein akzeptierter Bestandteil der medizinischen Praxis und durch die klaren Vorteile für die Patienten gegenüber dem meist geringen Strahlenrisiko gerechtfertigt. Allerdings sind auch kleine Strahlendosen nicht gänzlich ohne Risiko. Ein Teil der genetischen Mutationen und malignen Erkrankungen in der Bevölkerung wird mit der natürlichen Hintergrundstrahlung in Zusammenhang gebracht.
Die Strahlenschutzgesetze schreiben eine Vermeidung aller unnötigen Strahlenexpositionen vor. Ein effektiver Weg, die Strahlendosis niedrig zu halten, ist die Vermeidung unnötiger Röntgenaufnahmen – insbesondere unnötiger Wiederholungsuntersuchungen – sowie die Wahl angemessener, Strahlendosis sparender Untersuchungsverfahren.
Als Mass für die Beurteilung einer Strahlenexposition kann zum Vergleich die natürliche Belastung mit radioaktiver Strahlung herangezogen werden. Alle Lebewesen sind einer natürlichen Bestrahlung ausgesetzt. Diese Strahlenquellen sind seit der Entstehung der Erde vorhanden, wobei ihre Intensität früher wesentlich höher war. Sie betrafen unsere Vorfahren stärker als uns heute. Unser Organismus hat sich an diese Strahlung angepasst und Reparaturmechanismen entwickelt.
Natürliche Strahlung ca. 2.8 mSv/Jahr
Vier natürliche Strahlenquellen führen in der Schweiz zu einer mittleren effektiven Dosis von 2.8 mSv/Jahr:
- Die kosmische Strahlung mit 0.34 mSv/Jahr,
- die terrestrische Strahlung mit 0.45 mSv/Jahr,
- inkorporierte Radionuklide mit 0.38 mSv/Jahr sowie
- das Radon und seine Folgeprodukte mit 1.6 mSv/Jahr.
Etwa die Hälfte der natürlichen Strahlenexposition stammt somit vom Radon und seinen Folgeprodukten. Die Dosen für ein Individuum können je nach Wohngebiet beträchtlich nach oben vom Mittelwert abweichen (Schwankungsbereich von 1.0 bis ca. 150 mSv/Jahr). Dies ist vor allem auf die regional unterschiedliche Belastung durch den Radonzerfall zurückzuführen.
Strahlenschutz in der Radiologie
Strahlenbelastung und praktizierter Strahlenschutz
Die diagnostische Strahlenanwendung als entscheidende zivilisatorische Strahlenquelle erhöht die Dosis der natürlichen Hintergrundstrahlung, der wir alle ohnehin ausgesetzt sind, um mehr als einen Drittel. Ein effektiver Strahlenschutz bei Röntgenuntersuchungen kann erreicht werden durch:
- Ausbildung (des Personals)
- Abstand der Strahlenquelle vom Körper (quadratisches Abstandsgesetz)
- Abschirmung (Abdeckungen mit Bleigummi usw.)
- Arbeitsvorbereitung (Lagerung, Einblendung usw.)
- Arbeitsweise (z.B. Durchleuchtungszeit, Bildverarbeitung)
Die Schutzmassnahmen bei einer Röntgenuntersuchung beginnen mit einer genauen Indikationsstellung, d.h. der Feststellung der medizinischen Notwendigkeit. Dazu gehört auch die Berücksichtigung von anderen Methoden, wie z.B. Ultraschall oder Magnetresonanztomographie. Aber auch die therapeutischen Konsequenzen aus einem (positiven bzw. negativen) Befund sind vorgängig festzulegen.
Übersicht über Strahlenexposition
Bei der eigentlichen Röntgenuntersuchung können zahlreiche Einstellparameter die Strahlenexposition beeinflussen. Um Ihnen ein Gefühl für das Ausmass der Strahlenbelastung bei den verschiedenen Untersuchungen zu geben, haben wir Ihnen in der unten stehenden Tabelle typische Strahlenexpositionen verschiedener Untersuchungen zusammengestellt. Die Angaben haben wir der aktuellen Literaturdatenbank auf www.strahlenschutz.org entnommen und an die Verhältnisse hier in der Schweiz angepasst.
Die Effektivdosis für eine radiologische Untersuchung ergibt sich aus der gewichteten Summe der Dosen aller betroffenen Gewebstypen im exponierten Bereich. In die Berechnung fliesst auch die relative Sensitivität der verschiedenen Gewebstypen gegenüber ionisierender Strahlung ein. Daraus ergibt sich eine letztlich geschätzte Einzeldosis, die eine Relation zum gesamten Strahlenrisiko herbeiführt, unabhängig davon wie die Dosis tatsächlich im Körper verteilt wurde.
Untersuchungsart | Effektive Dosis | Entspricht der Anzahl Thoraxröntgen- aufnahmen. | Entspricht einer Aufenthaltsdauer in der Schweiz | |
Umgebungsstrahlung pro Jahr | 2,8 | mSv/a | ||
Umgebungsstrahlung pro Tag | 0,0077 | mSv/d | ||
periph. Extremitäten | 0,01 | <0,5 | 1,3 | Tage |
Thoraxorgane pa | 0,02 | 1 | 2,6 | Tage |
Thoraxorgane lat. | 0,04 | 2 | 5,2 | Tage |
Schädel 2 Ebenen | 0,07 | 3,5 | 9,1 | Tage |
BWS 2 Ebenen | 0,70 | 35 | 3,0 | Monate |
LWS 3 Aufn. | 1,30 | 65 | 5,6 | Monate |
Becken ap | 0,70 | 35 | 3,0 | Monate |
Abdomen ap | 1,00 | 50 | 4,3 | Monate |
IVU (6 Aufn.) | 2,50 | 125 | 10,7 | Monate |
Schluckakt (24Spotaufn., 106″ DL) | 1,50 | 75 | 6,4 | Monate |
Bariumpassage (4Spotaufn., 78″ DL) | 3,00 | 150 | 12,9 | Monate |
Barium-Irrigoskopie (10Spotaufn., 137″ DL) | 7,00 | 350 | 3,2 | Jahre |
CT Schädel | 2,3 | 115 | 0,8 | Jahre |
CT Thorax | 8 | 400 | 2,9 | Jahre |
CT Abdomen/Becken | 10 | 500 | 3,6 | Jahre |
Lungenperfusionsszintigramm | 1 | |||
Nierenszintigramm | 1 | |||
Schilddrüsenszintigramm | 1 | |||
Knochenszintigramm | 4 | |||
Myocardszintigramm | 6 | |||
PET (F-18FDG) | 5 |
Zum besseren Verständnis wurden die Werte zum durchschnittlichen Thoraxröntgen einerseits und zur natürlichen Umgebungsstrahlung andererseits in Bezug gesetzt. Dabei wird ausgedrückt, wie viele Tage der natürlichen Umgebungsstrahlung die Effektivdosis einer Röntgen- oder nuklearmedizinischen Untersuchung entsprechen.
Höhere Dosen für CT und PET
Standardröntgenaufnahmen der Lunge und Extremitäten verursachen nur geringe Strahlenexpositionen, Aufnahmen des Abdomens etwas höhere. Durchleuchtungsuntersuchungen und nuklearmedizinische Untersuchungen sind mit einer mittleren Exposition verbunden. Höhere Dosen sind für CT- und PET-Untersuchungen notwendig. Etwa die Hälfte der medizinischen Strahlenexposition entfällt derzeit auf CT-Untersuchungen.
Radiologie und Schwangerschaft
Dürfen Schwangere geröntgt werden?
Bei einer bestehenden Schwangerschaft muss man grundsätzlich überdenken, ob eine Röntgenaufnahme notwendig ist. Die Entscheidung dazu sollten wir zusammen mit Ihnen und Ihrer Patientin treffen, die nach einer ausführlichen Information und Aufklärung auch mit ihrer Unterschrift zustimmen sollte.
Für die Entscheidung sind vor allem der Zeitpunkt der Schwangerschaft und die Art der Röntgenuntersuchung (welche Körperregion?) ausschlaggebend. Von der 2. bis zur 15. Schwangerschaftswoche ist eine Röntgenuntersuchung besonders kritisch. Zu einem späteren Zeitpunkt sind Schädigungen unwahrscheinlich.
Bei Aufnahmen der Hand, der Arme, des Fusses, der Sprunggelenke oder des Knies ist die Strahlenbelastung auch durch Streustrahlen gering, da das geröntgte Objekt relativ schlank ist. Hier kann in den meisten Fällen eine Aufnahme trotz bestehender Schwangerschaft unter Berücksichtigung des oben Genannten als unbedenklich gelten. Bei Aufnahmen der Brust, des Bauches oder der Wirbelsäule (vor allem der Lendenwirbelsäule) und des Beckens kommt es auf die Art der Verletzung der Patientin an, um zu entscheiden, ob eine Röntgenuntersuchung unumgänglich und notwendig ist, oder eine alternative Methode zur Diagnosefindung zur Verfügung steht.
Gibt es Alternativen zur Röntgenaufnahme bei Schwangerschaft?
Eventuell kann die notwendige Diagnose auch mit Untersuchungsverfahren, die keine Röntgenstrahlen anwenden, geklärt werden, wie zum Beispiel mit der Kernspintomographie. Besteht eine besondere Gefahr für Leib und Leben der Mutter, so sind Röntgenaufnahmen zur schnellen Sicherung einer Diagnose gerechtfertigt, um schnell eine geeignete Therapie einleiten zu können.
Meine Patientin wurde unwissentlich während einer Schwangerschaft geröntgt. Was nun?
Das individuelle Risiko dieser speziellen Situation müssen wir jeweils zusammen abschätzen. Ein Schwangerschaftsabbruch nach einer konventionellen Röntgenuntersuchung ist nicht gerechtfertigt.